Integrität - der Erfolgsfaktor für UnternehmenIntegrität - 1/2
- 21. November 2016
- Veröffentlicht durch: Ralf Juhre
- Kategorie: Fachartikel
Viele Geschäftsbeziehungen leiden unter mangelnder Nachhaltigkeit. Woran liegt das? Kurz gesagt, geht, unserer Beobachtung und Recherche nach, dieses Phänomen auf eine Ursache zurück: Geschäftsbeziehungen gehen letztlich daran zu Bruch, dass einer den anderen ausnutzen oder sogar einseitig ausbeuten möchte – also seinen persönlichen Gewinn auch dann noch sucht, wenn der andere schon auf dem Boden liegt. Das zum Verlierer gemacht werden geht mit einem Gesichtsverlust einher.
In manchen Zusammenhängen ist zu erleben, wie die Grenzen für einen gewissen Zeitraum gewahrt werden, beispielsweise um das System oder das Gegenüber zu studieren. Nachdem das System oder Gegenüber erfasst und Zugang zu dessen System geschaffen wurde, wird die Grenzbeachtung aufgegeben und nur der eigene Vorteil gesucht. Der Partner wird folglich als Steigbügel für den persönlich angestrebten Erfolg benutzt. Es entsteht nach anfänglich möglicherweise guter und erfolgreicher Zusammenarbeit ein gefühltes oder tatsächliches Ungleichgewicht. Die Beziehung ist vom Moment des eingetretenen Ungleichgewichts zum Scheitern verurteilt.
Es fehlt das tragfähige Fundament: Integrität. Integer sein heißt verbunden, in Beziehung zu sein und nicht vereinzelt. Viele Probleme unserer Zeit sind auf die Individualisierung zurückzuführen. Das betrifft Individuen ebenso wie Organisationen. Verbundenheit entsteht dadurch, dass die Grenze des jeweils anderen gewahrt bleibt. Passiert dies, dann wird das Gefühl der Wertschätzung erhalten. Wird die Grenze des anderen (wiederholt) verletzt, dann empfindet derjenige, dessen Grenze verletzt wird, mangelnde Wertschätzung und distanziert sich von diesem Eindringling.
Nur wenn beide Seiten dauerhaft Gewinner sind und sich auch so fühlen, bleibt die Basis einer nachhaltigen Verbundenheit bestehen. Es wird das Fundament dafür gelegt, dass wirkliche Exzellenz eine Chance hat. Exzellenz entsteht nur dann, wenn jeder sein Bestes gibt und das setzt eine positive Motivation voraus. Beide Parteien geben ihr Äußerstes für die Aufgabe, da sie ja Gewinner sind.
Was steht dem integren Handeln im Weg, um eine Win-Win-Situation zu erzielen?
Häufig sind denjenigen, die die Verbundenheit (Integrität) auflösen, die Konsequenzen ihres Handelns in diesem Moment nicht bewusst. Wie kommt das? Aus eigener Sicht verfolgen sie konsequent ihre persönlichen Ziele. Die Zielfokussierung ist so stark ausgeprägt, dass keine Wahrnehmung darüber besteht, dass das eigene Handeln die Grenzen anderer verletzt und sie damit die Beziehung zerstören. Weist man dann einem so Handelnden darauf hin, fehlen nicht selten Verständnis und Einsicht. Die Beziehung ist nicht weiter lebensfähig.
Ursache dieses menschlichen Handelns ist die starke Selbstbezogenheit, die dem Menschen innewohnt. Der Mensch dreht sich um sich selbst und folgt dabei seinen Möglichkeiten. Je ehrgeiziger und ambitionierter die Ziele und Phantasien, desto ambitionierter möglicherweise der Einsatz und die Mittel. Die Ziele der anderen wertzuschätzen würde bedeuten, deren Grenzen zu wahren und damit Verbundenheit zu generieren. Entbrennt der individuelle oder institutionelle Narzissmus und nimmt schließlich das Eindringen in Fremdsysteme unter Missachtung von Grenzen vor, wirkt er zerstörerisch auf die Beziehung. Er vernichtet damit vor allem Exzellenz, die bei einer Partnerschaft entstehen würde.
Viele andere Konflikte in Organisationen sowie in der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Kunden sind auf Narzissmus im Handeln von Individuen und Organisationen zurückzuführen. Aus der Natur des Menschen entstammen der Drang nach Selbstverwirklichung und die Suche nach dem eigenen Vorteil. Bis zu einem gewissen Punkt ist Selbstbezogenheit eine berechtigte Tugend. Insbesondere dann, wenn es darum geht, sich selbst zu reflektieren, um sich zu entwickeln und zu lernen. Schlägt die Selbstbezogenheit über die Stränge und bedient sie sich in der Ermangelung anderer Alternativen und unter Inkaufnahme von Grenzverletzungen der Ressourcen anderer, wirkt sie zerstörerisch und vernichtend. Alle Beteiligten müssen dann mit den Folgen leben. Die vermeintlichen Gewinner sind nicht wirklich auf der Sonnenseite gelandet, denn sie haben ihre Möglichkeit auf Exzellenz selbst blockiert durch die Trennung der (Leistungs-) Beziehung.